Wie funktioniert das Gehirn beim Lernen?
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? – Stimmt diese alte Volksweisheit? Gerade in unserer heutigen schnelllebigen Zeit wäre das etwas ungünstig. Und ja klar können wir Menschen ein Leben lang lernen. Die Neuroplastizität unseres Gehirns macht es möglich. Wie funktioniert das Gehirn beim Lernen? Und wie lernt das Gehirn?
Der Nobelpreisträger Eric Kandel konnte im Jahr 2000 nachweisen, dass sich unsere Nervenzellen ein Leben lang neu verknüpfen können. Sie ändern Verbindungen, die nicht mehr passen und knüpfen neue Bahnen, wenn sie entsprechend inspiriert werden.
Diese Veränderungsmöglichkeiten vor allem im zentralen Nervensystem sind die Grundlage dafür, dass wir immer neue Dinge lernen können oder nicht mehr gültiges auch verlernen können.
Wie lange kann das Gehirn lernen?
Also unser Gehirn kann bis zu unserem letzten Atemzug neue Dinge aufnehmen, sich anpassen und lernen. Es ist eine tolle Erfindung der Natur über die Verbindungen von Nervenzellen immer neue Datenautobahnen zu schaffen. Denn die Nervenzellen selbst können sich nur an zwei Stellen im Gehirn neu bilden.
Ansonsten kommen wir schon mit allen Nervenzellen, die wir ein Leben lang haben, auf die Welt. Im Gegenteil es sterben auch täglich Nervenzellen ab. Aber wir werden grundsätzlich nicht dümmer. Solange es nicht zu viele sind, da sich immer neue Verknüpfungen bilden. Eine Nervenzelle kann über 10.000 Verbindungen haben.
Wie kann ich mein Gehirn beim Lernen unterstützen?
Natürlich kann man sein Gehirn anregen und unterstützen, neue Dinge schneller zu lernen oder die synaptischen Verbindung zu bilden, die man möchte. Dazu brauchen wir nur unsere Aufmerksamkeit genau auf die zu lernenden Themen zu richten und sie entsprechend oft wiederholen.
Das funktioniert beim Vokabellernen genauso wie z.B. beim Lernen für den Aufschlag beim Tennis. Je nachdem, was wir lernen möchten, gilt immer wieder: gezielter Fokus und fortlaufendes Training unterstützen den Prozess der Nervenverknüpfungen.
Was passiert mit dem Gehirn beim Lesen?
Nehmen wir z.B. das Lesen. Wenn man einen Text liest, nimmt das Gehirn die Wörter visuell auf oder, wenn man laut liest, werden sie auch über die akustischen Hirnareale verknüpft. Diese geben bzw. suchen dann nach den vorhandenen Bedeutungen der Wörter im Gehirn und setzen den Sinn des Textes entsprechend zusammen.
Will man den Inhalt behalten, sollte man einen Stift benutzen, Dinge anstreichen oder herausschreiben, denn dann werden weitere Verknüpfungen über die Bewegung und die Farbe des Stiftes im Gehirn fokussiert angelegt. Je mehr Verknüpfungen desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Gelesene ins Arbeitsgedächtnis und dann auch ins Langzeitgedächtnis gelangt.
Welche Gehirnareale werden beim Lernen aktiviert?
Also je mehr Sinne involviert sind, desto mehr Gehirnareale sind in Aktion und befeuern die entsprechenden Daten. Das motosensorische Areal z.B. lenkt das Lernen über die Bewegung und der auditive oder optische Bereich über das Hören und Sehen. Untersuchungen haben gezeigt, dass wir Dinge besser behalten, wenn mehrere Eindrücke und Tätigkeiten das gleiche behandeln und wir es auch mit anderen besprechen oder diskutieren können. Am besten behält man Dinge, wenn man sie anderen beibringt.
Warum ist Lernen eigentlich gefühlt manchmal etwas anstrengend und dauert auch länger?
Das liegt daran, dass unser Gehirn grundsätzlich Energie sparen will und deshalb Routinen liebt. Diese sind eingespielt und laufen automatisch ab. So ist alles, was wir neu lernen wollen mit Energieaufwand verbunden. Denn es müssen neue Bahnen und Schaltkreise im Gehirn angelegt werden. Das gilt für das Lernen einer neuen Vokabel genauso wie für einen neuen Bewegungsablauf beim Sport oder beim Yoga. Wir müssen dazu quasi unser Gehirn überzeugen, Energie rein zu stecken.
Das können wir erreichen, indem wir die neuen zu erlernenden Dinge oft wiederholen. Und das ganze über einen längeren Zeitraum. Begeisterung, sprich positive Emotion und Motivation, hilft auch. Denn dann werden mehr Neurotransmitter freigesetzt, die den Bau von neuen Nervenverbindungen unterstützen.
Zuerst besteht der neue Schaltkreis nur aus ganz zarten ersten Bahnen. Je mehr sie durch Übung und Training verstärkt werden, desto intensiver und breiter werden sie. Bis sie zu einer geübten klaren Erinnerung und damit zu einem neuen Automatismus werden.
Meist werden in der Ruhe, also wenn man nicht übt, die neuen Verbindungen verfestigt. Deshalb hilft es bei vielem eine Nacht drüber zu schlafen bzw. die entsprechenden Intervalle zwischen Training und Ruhephasen einzuhalten. Das Gehirn funktioniert hier wie ein Muskel. Es muss aktiv zum Aufbau neuer Bahnen stimuliert werden und braucht Ruhe und Zeit, um sie aufzubauen.