Wie funktioniert das Gehirn beim Lernen?

Gehirn lernen

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? – Stimmt diese alte Volksweisheit? Gerade in unserer heutigen schnelllebigen Zeit wäre das etwas ungünstig. Und ja klar können wir Menschen ein Leben lang lernen. Die Neuroplastizität unseres Gehirns macht es möglich. Wie funktioniert das Gehirn beim Lernen? Und wie lernt das Gehirn?

Der Nobelpreisträger Eric Kandel konnte im Jahr 2000 nachweisen, dass sich unsere Nervenzellen ein Leben lang neu verknüpfen können. Sie ändern Verbindungen, die nicht mehr passen und knüpfen neue Bahnen, wenn sie entsprechend inspiriert werden. 

Diese Veränderungsmöglichkeiten vor allem im zentralen Nervensystem sind die Grundlage dafür, dass wir immer neue Dinge lernen können oder nicht mehr gültiges auch verlernen können.

Wie lange kann das Gehirn lernen?

Also unser Gehirn kann bis zu unserem letzten Atemzug neue Dinge aufnehmen, sich anpassen und lernen. Es ist eine tolle Erfindung der Natur über die Verbindungen von Nervenzellen immer neue Datenautobahnen zu schaffen. Denn die Nervenzellen selbst können sich nur an zwei Stellen im Gehirn neu bilden.

Ansonsten kommen wir schon mit allen Nervenzellen, die wir ein Leben lang haben, auf die Welt. Im Gegenteil es sterben auch täglich Nervenzellen ab. Aber wir werden grundsätzlich nicht dümmer. Solange es nicht zu viele sind, da sich immer neue Verknüpfungen bilden. Eine Nervenzelle kann über 10.000 Verbindungen haben.

Wie kann ich mein Gehirn beim Lernen unterstützen?

Natürlich kann man sein Gehirn anregen und unterstützen, neue Dinge schneller zu lernen oder die synaptischen Verbindung zu bilden, die man möchte. Dazu brauchen wir nur unsere Aufmerksamkeit genau auf die zu lernenden Themen zu richten und sie entsprechend oft wiederholen.

Das funktioniert beim Vokabellernen genauso wie z.B. beim Lernen für den Aufschlag beim Tennis. Je nachdem, was wir lernen möchten, gilt immer wieder: gezielter Fokus und fortlaufendes Training unterstützen den Prozess der Nervenverknüpfungen.

Was passiert mit dem Gehirn beim Lesen?

Gehirn lernen lesen

Nehmen wir z.B. das Lesen. Wenn man einen Text liest, nimmt das Gehirn die Wörter visuell auf oder, wenn man laut liest, werden sie auch über die akustischen Hirnareale verknüpft. Diese geben bzw. suchen dann nach den vorhandenen Bedeutungen der Wörter im Gehirn und setzen den Sinn des Textes entsprechend zusammen.

Will man den Inhalt behalten, sollte man einen Stift benutzen, Dinge anstreichen oder herausschreiben, denn dann werden weitere Verknüpfungen über die Bewegung und die Farbe des Stiftes im Gehirn fokussiert angelegt. Je mehr Verknüpfungen desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Gelesene ins Arbeitsgedächtnis und dann auch ins Langzeitgedächtnis gelangt.

Welche Gehirnareale werden beim Lernen aktiviert?

Also je mehr Sinne involviert sind, desto mehr Gehirnareale sind in Aktion und befeuern die entsprechenden Daten. Das motosensorische Areal z.B. lenkt das Lernen über die Bewegung und der auditive oder optische Bereich über das Hören und Sehen. Untersuchungen haben gezeigt, dass wir Dinge besser behalten, wenn mehrere Eindrücke und Tätigkeiten das gleiche behandeln und wir es auch mit anderen besprechen oder diskutieren können. Am besten behält man Dinge, wenn man sie anderen beibringt.

Warum ist Lernen eigentlich gefühlt manchmal etwas anstrengend und dauert auch länger?

Das liegt daran, dass unser Gehirn grundsätzlich Energie sparen will und deshalb Routinen liebt. Diese sind eingespielt und laufen automatisch ab. So ist alles, was wir neu lernen wollen mit Energieaufwand verbunden. Denn es müssen neue Bahnen und Schaltkreise im Gehirn angelegt werden. Das gilt für das Lernen einer neuen Vokabel genauso wie für einen neuen Bewegungsablauf beim Sport oder beim Yoga. Wir müssen dazu quasi unser Gehirn überzeugen, Energie rein zu stecken.

Das können wir erreichen, indem wir die neuen zu erlernenden Dinge oft wiederholen. Und das ganze über einen längeren Zeitraum. Begeisterung, sprich positive Emotion und Motivation, hilft auch. Denn dann werden mehr Neurotransmitter freigesetzt, die den Bau von neuen Nervenverbindungen unterstützen.

Zuerst besteht der neue Schaltkreis nur aus ganz zarten ersten Bahnen. Je mehr sie durch Übung und Training verstärkt werden, desto intensiver und breiter werden sie. Bis sie zu einer geübten klaren Erinnerung und damit zu einem neuen Automatismus werden.

Meist werden in der Ruhe, also wenn man nicht übt, die neuen Verbindungen verfestigt. Deshalb hilft es bei vielem eine Nacht drüber zu schlafen bzw. die entsprechenden Intervalle zwischen Training und Ruhephasen einzuhalten. Das Gehirn funktioniert hier wie ein Muskel. Es muss aktiv zum Aufbau neuer Bahnen stimuliert werden und braucht Ruhe und Zeit, um sie aufzubauen.

Was ist der Sinn von agilen Werten
© whitehoune/iStock

rbb Fernsehen, Sendung rbb Praxis am 15.1.2020 Quelle: ARD Mediathek

Gute Vorsätze - wie klappt's wirklich?

Fast jeder nimmt sich für das neue Jahr etwas vor: weniger Alkohol, gesünder essen, mehr Sport. Laut einer Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK wollen zum Beispiel 64 Prozent der Deutschen in den kommenden Monaten Stress vermeiden oder abbauen.

Doch Mitte Januar haben viele ihre guten Vorsätze dann schon wieder gebrochen. Wie schaffen wir es, dass gute Vorsätze auch gelingen?

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Berliner Morgenpost
04-08-2019

„Lady Brain“ ist eine Wilmersdorferin

Gehirnexpertin Maria Hoffacker gewinnt beim doppelten Speaker Weltrekord den Excellence Award.

Wenn sie das Funkeln der Erkenntnis in den Augen ihrer Gegenüber sieht, fühlt sich Maria Hoffacker selbst auch glücklich. „Das ist wunderbar“, sagt die Wilmersdorferin. Ihr Enthusiasmus ist ansteckend.

Die promovierte Wissenschaftlerin hat Biologie, katholische Theologie und Pädagogik studiert, forscht aber schon lange in einem Bereich, der die drei Fächer kombiniert, „an der Synchronisation von Geist, Körper und Seele“, sagt sie. „Mich hat schon immer diese Blackbox des Unterbewusstseins interessiert. Ich wollte herausfinden, wie Menschen eigentlich funktionieren“, sagt sie.

So ist es für sie kein Tabu, Erkenntnisse moderner Hirnforschung mit altem theologischen oder pädagogischen Wissen zu verknüpfen. Glaube ist für Hoffacker eine der größten Triebfedern menschlichen Verhaltens. „Uns überrascht oft die Wirksamkeit von Placebo-Medikamenten, und wir wissen auch um Spontan-Heilungen, die bisher in die Kategorie Wunder gefallen sind, weil wir einfach noch zu wenig darüber wissen, welche chemischen Prozesse im Körper allein durch Denken ausgelöst werden“, sagt sie.
Erkenntnis als Mittel gegen Manipulation

Hoffacker ist selbst immer wieder neu gestartet und hat neue Herausforderungen angenommen: als Meeresbiologin, Umweltmanagerin und als Wissenschaftsredakteurin. Sie ist Mutter, Unternehmerin und aktuell Dozentin für Biologische Psychologie im Studiengang Psychologie an der Hochschule Fresenius in Berlin. Sie will aber nicht nur ihre Studenten davon überzeugen, wie man kraft der Hilfe seines Denkens mentale Fitness erlangen, und sich damit sogar auch gegen Krankheiten wie Demenz und Alzheimer wappnen kann. Hoffacker arbeitet als Coach mit Einzelpersonen und Gruppen, mit denen sie Strategien für ein besseres Leben entwickelt. „Mein Ziel ist, dass die Menschen, die sich von mir spiegeln lassen, ihr eigenes Verhalten erkennen, und es verändern. Wisse man, wie eine neurolinguistische Programmierung beispielsweise in der Werbung funktioniere, sei man weniger leicht manipulierbar.
Darmbakterien sorgen für inneres Nachrichtensystem

Ihr Credo: „Wie sollen wir die Herausforderungen der Zukunft meistern, ohne die kreative Software unseres Gehirns verstehen und richtig anwenden zu können?“ Hoffacker räumt aber ein, dass das Wissen um das, was einen Menschen wirklich steuert, noch in den Kinderschuhen steckt. „Wir machen uns gerade erst auf, diese Prozesse zu erforschen und zu verstehen“, sagt Hoffacker. „Es ist beeindruckend, wie wichtig beispielsweise unser Darmgehirn ist, wenn wir Entscheidungen treffen“, sagt sie. Mehr als 1,5 Kilogramm Bakterien sorgen in jedem Menschen für eine Art inneres Nachrichtensystem, das alle Informationen zum Kopfgehirn transportiert.“ Da werde mehr übermittelt als nur „Hunger“ oder „Durst“. Am Darm seien fünfmal so viele Nervenzellen angesiedelt wie im Rückenmark. „Wenn wir also davon reden, auf unser Bauchgefühl zu vertrauen, hat das einen guten Grund. Der Bauch weiß viel und fühlt viel und trifft damit gute Entscheidungen“, ist Hoffacker überzeugt.

Überzeugen ist inzwischen mehr als ein Steckenpferd für die Wissenschaftlerin. Maria Hoffacker ist nun nicht mehr nur Expertin für das Gehirn – Lady Brain – sondern auch Redner-Weltrekordlerin. 160 renommierte Redner aus 15 Ländern traten jüngst in Stuttgart gegeneinander bei der ersten Silent Speaker Battle an. Jeweils vier Redner sprachen gleichzeitig auf der Bühne. Die Zuhörer trugen Kopfhörer, konnten entscheiden, welchem Redner sie zuhören wollten, und stimmten am Ende über den besten „Speaker“ ab. Hoffacker begeisterte mit ihrer Rede über die menschlichen Gehirne und qualifiziere sich für den direkt darauffolgenden Internationalen Speaker-Slam, zu dem 66 internationale Redner genau fünf Minuten Zeit hatten, um Jury und Publikum für ihr Thema zu gewinnen. Hoffacker überzeugte mit ihrer Rede über die Möglichkeiten schnelle und vor allem richtige Entscheidungen zu treffen und wurde mit dem Excellence Award ausgezeichnet.

Im August wartet auf Maria Hoffacker die nächste Mission, die Welt von dem zu begeistern, was im Körper der Menschen so vor sich geht: Dann wird sie in New York bei einem weiteren Internationalen Speaker-Slam antreten.

GABAL Tipp des Monats

Erfolg im Leben hängt auch davon ab, ob man sich seinen Ängsten stellt und ihnen zum Trotz handelt. gerade jetzt im Sommer nach dem Shutdown können wir unser Comeback mutig angehen. Welche Schritte das ermöglichen – darum geht es in dieser Podcastfolge von Dr. Maria Hoffacker. Die kleinen Mutproben im Alltag und Zivielcourage bringen uns weiter.

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GABAL impulse 1/2020
Offizielles Organ der GABAL e.V. Impulse für Ihre erfolgreiche Unternehmens- und Persönlichkeitsentwicklung
Quelle: https://www.drmariahoffacker.com/wp-content/uploads/2021/01/GABAL-Impulse1-2020-final.pdf

GABAL News - Was wir aus der Gehirnforschung für unsere Zukunft lernen können

Wir haben viel vor: Digitalisierung und künstliche Intelligenz, sich verändernde Arbeitswelten und der Klimawandel – das sind die Herausforderungen in diesem Jahrzehnt.

PDF, ganzen Artikel Lesen >>

© dpa-Zentralbild/ Fotograf: Arno Burgi

BR24 – So gelingen die guten Vorsätze fürs Neue Jahr – von Sylvaine von Liebe
31-12-2019
Quelle: https://www.br.de/nachrichten/wissen/so-gelingen-die-guten-vorsaetze-fuers-neue-jahr-2020,Rm8FEjd

So gelingen die guten Vorsätze fürs Neue Jahr

Wollen Sie im neuen Jahr auch mehr Sport machen oder öfter eine Smartphone-Pause einlegen? Gehirnforscherin Maria Hoffacker erklärt, wie gute Vorsätze gelingen können. Das Wesentliche dafür ist, den Ablauf von Lernprozessen im Gehirn zu verstehen.

Es ist eigentlich jedes Jahr dasselbe: Zum Jahreswechsel nehmen wir uns bestimmte Dinge vor, die wir im neuen Jahr umsetzen wollen. Und meist scheitern wir schon nach wenigen Wochen an unseren ehrgeizigen Zielen. Doch das muss nicht sein. “Die meisten Neustarts scheitern, weil die Menschen gegen und nicht mit ihrem Gehirn arbeiten”, erklärt Maria Hoffacker, Gehirnforscherin und externe Lehrbeauftragte für Biologische Psychologie im Studiengang Psychologie an der Hochschule Fresenius in Berlin. Sie verrät, was wir beachten müssen, um Vorhaben erfolgreich umsetzen zu können.

Gehirn ist wie ein Computer: Zu viel Input macht es ineffektiver
“Für einen erfolgreichen Neustart ist es wichtig zu wissen, wie Lernprozesse im Gehirn ablaufen. Mit diesem Wissen fällt es uns leichter, Vorhaben tatsächlich umzusetzen.” Maria Hoffacker, Gehirnforscherin an der Hochschule Fresenius in Berlin
Das Gehirn arbeite wie ein Computer, sagt Hoffacker. Viele Programme und Webbrowser seien meist parallel offen. Wenn es zu viele sind, arbeitet das Gehirn allerdings genauso wie der Computer: langsamer und nicht mehr zielgerichtet.

Erster Schritt, wie Vorsätze gelingen: Ordnung im Gehirn schaffen
Erfolgversprechend für die Umsetzung guter Vorsätze ist daher, sich in einem ersten Schritt zu fragen: “Was will ich nicht mehr tun? Was kann ich weglassen, um Platz zu schaffen?” Oder – um im Bild des Computers zu bleiben: verschiedene Programme schließen, manche löschen. Hilfreich ist nach Ansicht Hoffackers auch, sich dies vorab genau zu überlegen und handschriftlich aufzuschreiben. Denn wie das Sprichwort “wer schreibt, der bleibt” schon sagt, festigt sich ein Vorhaben durch das Schreiben mit der Hand. Dies setze die ersten wichtigen Motivationsmarker in unserem Gehirn und schaffe Klarheit – auf dem Papier und im Nervensystem, so die Gehirnforscherin Hoffacker.

Zweiter Schritt, wie Vorsätze gelingen: klare Ziele
Im nächsten Schritt sollten wir uns fragen, was wir wirklich wollen. Hilfreich sei dafür laut Hoffacker, sich ein starkes Motivationsbild zu suchen und dies mit all unseren Sinnen erfassen. Was sehe ich, wenn ich zum Beispiel regelmäßig jogge oder mich gesund ernähre? Was tue ich konkret? Wie fühlt es sich an? Rieche oder schmecke ich dabei etwas? Denn auch auf positive Emotionen reagiert unser Gehirn.

Je emotionaler und bildlicher unsere Gedanken aufgeladen sind, umso stärker werden auch die Nervenbahnen. Es lohnt sich also, in ein Vorhaben Energie reinzustecken. Denn das Gehirn merkt: Sie oder er will das jetzt wirklich! Ein unterstützendes Umfeld kann für die erfolgreiche Umsetzung guter Vorsätze deshalb auch förderlich sein, sagt Hoffacker.

Dritter Schritt, wie Vorsätze gelingen: Zeit lassen und durchhalten
Ein weiterer wichtiger Faktor bei Neuanfängen wie den guten Vorsätzen zum Jahreswechsel ist die Zeit. Bis sich Neues im Gehirn etablieren kann, dauert es 30 bis 40 Tage.

“Hier empfehle ich, einen Aktionsplan zu erstellen – mit mindestens einer Handlung pro Tag, die mich meinem Ziel näherbringt. Einmal in der Woche sollten wir diesen Plan anpassen und uns neu motivieren.” Maria Hoffacker, Gehirnforscherin an der Hochschule Fresenius in Berlin
Denn Lernprozesse erforderten Durchhaltevermögen: Nach meist schnellen Fortschritten am Anfang einer neuen Tätigkeit, komme es später zu einer Stagnation. Das sei typisch für Lernprozesse im Gehirn, so Hoffacker.

“Währenddessen laufen die Prozesse im Gehirn jedoch weiter: Es entstehen neue Synapsen oder sie werden ausgebaut. Das dauert und erfordert Durchhaltevermögen während der Umbauphase.” Maria Hoffacker, Gehirnforscherin an der Hochschule Fresenius in Berlin
Ein Durchhaltevermögen, das sich in jedem Fall lohnt: Denn: “Nach dem Plateau folgt der exponentielle Sprung ins Ziel”, sagt Hoffacker. Auch hier sei es eben wie beim Computer, wenn es heißt: “Bitte warten Sie, bis das Programm installiert ist und unterbrechen Sie den Prozess nicht.”

Die häufigsten Vorsätze zu Neujahr
Nach einer Umfrage der Krankenkasse DAK sind die häufigsten Neujahrsvorsätze für 2020: weniger Stress, mehr Zeit für Familie und Freunde, mehr Sport, gesündere Ernährung und Abnehmen. In den vergangenen Jahren wurde aber auch immer häufiger weniger Computer-, Handy- und Internetnutzung als beliebter Vorsatz zum Jahreswechsel genannt.

© whitehoune/iStock

adhibeo. Wissenschaftsblog der Hochschule Fresenius von Melanie Hahn, 20.12.2019
Quelle: https://www.adhibeo.de/was-wir-aus-der-gehirnforschung-fuer-einen-neustart-lernen-koennen/

Was wir aus der Gehirnforschung für einen Neustart lernen können

Zum Jahresstart nehmen sich viele Menschen vor, einen Neustart zu wagen oder haben gute Vorsätze. Häufig scheitert es jedoch an der Umsetzung. Dr. Maria Hoffacker, Gehirnforscherin und externe Lehrbeauftragte für Biologische Psychologie im Studiengang Psychologie (B.Sc.) an der Hochschule Fresenius in Berlin , erklärt im Interview, welche Rolle das Gehirn spielt, wenn wir etwas Neues beginnen wollen und wie uns das Wissen um die Prozesse im Gehirn weiterhilft.

Für das neue Jahr nehmen wir uns häufig viel vor. Ratgeber mit Tipps, wie man gute Vorsätze auch tatsächlich umsetzt oder etwas Neues startet, gibt es viele. Sie empfehlen, dass wir uns zunächst mit der biologischen Basis unseres Gehirns beschäftigen sollten. Warum?
Die meisten Neustarts scheitern, weil die Menschen gegen und nicht mit ihrem Gehirn arbeiten. Für einen erfolgreichen Neustart ist es wichtig zu wissen, wie Lernprozesse im Gehirn ablaufen. Mit diesem Wissen fällt es uns leichter, Vorhaben tatsächlich umzusetzen. Dabei macht es einen Unterschied, ob wir etwas komplett Neues lernen wollen oder ob es schon erste Ansätze gibt.

Warum ist das so?
Unser Gehirn ist dreigeteilt. In der Großhirnrinde ist das bewusste Denken verankert. Das „Limbische System“ ist für die Steuerung unserer Emotionen zuständig. Der dritte Bereich ist das Stammhirn, auch Reptilienhirn genannt. Es ist die evolutionär älteste Region und regelt unsere Reflexe. Die drei Bereiche sind miteinander vernetzt und perfekt aufeinander abgestimmt. Dabei interagieren 86 Milliarden Nervenzellen. Jede dieser Zellen ist über zahlreiche Kontaktstellen, den sogenannten Synapsen, mit ihren Nachbarzellen verbunden. In der Entwicklungsphase eines jeden Menschen treten zunächst die erst jungen Nervenzellen mit den richtigen Partnerzellen in Kontakt. Dadurch entsteht ein Grundgerüst unseres Gehirns. Auch im Erwachsenenalter werden Kontakte zwischen Nervenzellen ständig auf- und wieder abgebaut.

Erst dadurch können wir lernen. Aber nicht jeder Zellkontakt macht Sinn. Stellt das Gehirn fest, dass manche dieser Verbindungen nur selten gebraucht werden, werden sie wieder abgebaut. Denn das Gehirn arbeitet sehr energieeffizient. Es ist das Organ unseres Körpers, das am meisten Energie verbraucht. Merkt das Gehirn, dass bestimmte Nervenverbindungen besonders häufig in Anspruch genommen werden, werden diese ausgebaut. Aus schmalen Trampelpfaden werden breite Wege. Oder anders gesagt: Das Gehirn merkt „Sie oder er will das jetzt wirklich!“. Also lohnt es sich, Energie reinzustecken. Die Folge: Das Gelernte verfestigt sich. Je emotionaler und bildlicher unsere Gedanken aufgeladen sind, umso stärker werden auch die Nervenbahnen.

Denn dann werden alle drei Gehirnteile involviert und können gemeinsam an einem Strang ziehen. Unser Gehirn denkt und fühlt in Bildern und überträgt dies auf unseren Körper. Denken sie zum Beispiel einmal an eine Zitrone. Was sehen sie vor ihrem geistigen Auge und was schmecken sie? Genauso können sie sich auch ein anziehendes Motivationsbild vorstellen. Nachts kommt die „Müllabfuhr“. Alles, was für unser Gehirn keinen Sinn macht, wird dann aussortiert und weggeschmissen. Allein aus diesem Wissen können wir bereits Einiges ableiten, um uns für einen Neustart zu wappnen.

Sie unterscheiden drei verschiedene „Gehirne“: Kopf, Herz und Darm. Welche Funktionen übernehmen die drei „Gehirne“?
Kopf, Herz und Darm spielen bei Entscheidungen eine wichtige Rolle. Vom Gehirn aus führt der Vagusnerv in den Körper, genauer gesagt in den Darm und zum Herzen. Das bedeutet: Es gibt einen direkten Draht zwischen Hirn und den beiden Organen. Herz und Darm werden bereits im Mutterleib als erstes großes unabhängiges Nervensystem angelegt. In diesen Nervensystemen liegen somit unsere ersten und ältesten Erfahrungen. Sie sind unbewusst, aber sehr weise.

Bei wichtigen Entscheidungen sind sie die besten Ratgeber, denn „man sieht nur mit dem Herzen gut“ und das „Bauchgefühl trügt nie“. Neueste wissenschaftliche Forschung beschäftigt sich intensiv mit dem Darm. So konnte nachgewiesen werden, dass die 1,5 kg Bakterien, die wir im Darm haben, wichtige Informationen an das Gehirn senden und Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer vorbeugen können. Wichtig für das gute Funktionieren unseres Darmgehirns ist die Vielfalt dieser Bakterienkultur und damit eine gesunde Ernährung. Nicht ohne Grund hören wir auf unser „Baugefühl“. Häufig wissen wir intuitiv, was das Richtige für uns ist. In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne Einstein: „Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat“.

Für den Neustart heißt das: „Hören Sie auf ihre Intuition!“ Sich selbst zu erkennen, ist also entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung guter Vorsätze. Wozu fühlt man sich berufen? Wie tickt das Herz? Womit muss ich mich füttern? All dies sind wichtige Fragen. Bevor wir neu durchstarten, sollten wir uns die Zeit nehmen und sie beantworten.

Wie kann man sein Gehirn entsprechend aktivieren? Gibt es dafür Techniken und praktische Tipps?
Das Gehirn arbeitet wie ein Computer. Viele Programme und Webbrowser sind meist parallel offen. Wenn es zu viele sind, arbeitet es genauso wie der Computer langsamer und nicht mehr zielgerichtet. Wenn sie ein ganz neues Programm installieren wollen, müssen sie erst einmal genügend Platz auf der Festplatte schaffen.

Raum schaffen
Der erste Schritt ist also, sich zu fragen: „Was will ich nicht mehr tun? Was kann ich weglassen, um Platz zu schaffen?“ Das heißt – um beim Bild des Computers zu bleiben – ich muss meinen Computer aufräumen, Programme schließen oder löschen. Das sollte ich mir vorab genau überlegen und aufschreiben. Denn wie das Sprichwort „wer schreibt, der bleibt“ schon sagt, festigt sich ein Vorhaben durch das Schreiben mit der Hand. Dies setzt die ersten wichtigen Motivationsmarker in unserem Gehirn und schafft Klarheit – auf dem Papier und im Nervensystem.

Motivationsbild und positive Emotionen suchen
Im nächsten Schritt sollten wir uns darüber klar werden, was wir wollen. Wie bereits angesprochen, braucht das Gehirn Bilder. Daher sollen wir uns ein starkes Motivationsbild suchen und dies mit all unseren Sinnen erfassen. Was sehe ich, wenn ich zum Beispiel in einem neuen Job bin? Was tue ich konkret? Wie fühlt es sich an?

Rieche oder schmecke ich dabei etwas? Auch auf positive Emotionen reagiert das Gehirn. Daher ist es förderlich, sich ein unterstützendes Umfeld zu suchen. Freude ist ebenfalls ein „Anschieber“, mit dessen Hilfe wir besser lernen können.

Zeit lassen und durchhalten
Ein weiterer wichtiger Faktor bei Neuanfängen ist die Zeit. Bis sich Neues im Gehirn etablieren kann, dauert es 30 bis 40 Tage. Diese Erkenntnis stammt aus der Astronautenforschung. Astronauten lernen die Schwerelosigkeit erst, nachdem sie mindestens 30 Tagen in der Schwerelosigkeit waren. Nach dieser Zeit stellt sich ein Lerneffekt im Gehirn ein, der sich auch auf den Körper erstreckt. Bricht ein Astronaut vorher ab, fängt er wieder bei null an. Dies lässt sich auch auf andere Lernprozesse übertragen. Konkret bedeutet das: „Bleiben Sie dran!“.

Das Gehirn benötigt fortlaufende Wiederholungen, damit die Nervenbahnen entsprechend ausgebaut werden können. Hier empfehle ich, einen Aktionsplan zu erstellen – mit mindestens einer Handlung pro Tag, die mich meinem Ziel näherbringt. Einmal in der Woche sollten wir diesen Plan anpassen und uns neu motivieren.

Häufig merken wir, dass wir zu Beginn einer neuen Tätigkeit schnell Fortschritte machen. Dann stagniert es plötzlich. Das ist typisch für Lernprozesse. Währenddessen laufen die Prozesse im Gehirn jedoch weiter: Es entstehen neue Synapsen oder sie werden ausgebaut. Das dauert und erfordert Durchhaltevermögen während der Umbauphase. Aber es lohnt sich: Denn nach dem Plateau folgt der exponentielle Sprung ins Ziel. Auch hier ist es wie beim Computer „Bitte warten Sie bis das Programm installiert ist und unterbrechen Sie den Prozess nicht“. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihrem Neustart ins neue Jahrzehnt.

Berliner Morgenpost
04-08-2019

„Lady Brain“ ist eine Wilmersdorferin

Gehirnexpertin Maria Hoffacker gewinnt beim doppelten Speaker Weltrekord den Excellence Award.

Wenn sie das Funkeln der Erkenntnis in den Augen ihrer Gegenüber sieht, fühlt sich Maria Hoffacker selbst auch glücklich. „Das ist wunderbar“, sagt die Wilmersdorferin. Ihr Enthusiasmus ist ansteckend.

Die promovierte Wissenschaftlerin hat Biologie, katholische Theologie und Pädagogik studiert, forscht aber schon lange in einem Bereich, der die drei Fächer kombiniert, „an der Synchronisation von Geist, Körper und Seele“, sagt sie. „Mich hat schon immer diese Blackbox des Unterbewusstseins interessiert. Ich wollte herausfinden, wie Menschen eigentlich funktionieren“, sagt sie.

So ist es für sie kein Tabu, Erkenntnisse moderner Hirnforschung mit altem theologischen oder pädagogischen Wissen zu verknüpfen. Glaube ist für Hoffacker eine der größten Triebfedern menschlichen Verhaltens. „Uns überrascht oft die Wirksamkeit von Placebo-Medikamenten, und wir wissen auch um Spontan-Heilungen, die bisher in die Kategorie Wunder gefallen sind, weil wir einfach noch zu wenig darüber wissen, welche chemischen Prozesse im Körper allein durch Denken ausgelöst werden“, sagt sie.
Erkenntnis als Mittel gegen Manipulation

Hoffacker ist selbst immer wieder neu gestartet und hat neue Herausforderungen angenommen: als Meeresbiologin, Umweltmanagerin und als Wissenschaftsredakteurin. Sie ist Mutter, Unternehmerin und aktuell Dozentin für Biologische Psychologie im Studiengang Psychologie an der Hochschule Fresenius in Berlin. Sie will aber nicht nur ihre Studenten davon überzeugen, wie man kraft der Hilfe seines Denkens mentale Fitness erlangen, und sich damit sogar auch gegen Krankheiten wie Demenz und Alzheimer wappnen kann. Hoffacker arbeitet als Coach mit Einzelpersonen und Gruppen, mit denen sie Strategien für ein besseres Leben entwickelt. „Mein Ziel ist, dass die Menschen, die sich von mir spiegeln lassen, ihr eigenes Verhalten erkennen, und es verändern. Wisse man, wie eine neurolinguistische Programmierung beispielsweise in der Werbung funktioniere, sei man weniger leicht manipulierbar.
Darmbakterien sorgen für inneres Nachrichtensystem

Ihr Credo: „Wie sollen wir die Herausforderungen der Zukunft meistern, ohne die kreative Software unseres Gehirns verstehen und richtig anwenden zu können?“ Hoffacker räumt aber ein, dass das Wissen um das, was einen Menschen wirklich steuert, noch in den Kinderschuhen steckt. „Wir machen uns gerade erst auf, diese Prozesse zu erforschen und zu verstehen“, sagt Hoffacker. „Es ist beeindruckend, wie wichtig beispielsweise unser Darmgehirn ist, wenn wir Entscheidungen treffen“, sagt sie. Mehr als 1,5 Kilogramm Bakterien sorgen in jedem Menschen für eine Art inneres Nachrichtensystem, das alle Informationen zum Kopfgehirn transportiert.“ Da werde mehr übermittelt als nur „Hunger“ oder „Durst“. Am Darm seien fünfmal so viele Nervenzellen angesiedelt wie im Rückenmark. „Wenn wir also davon reden, auf unser Bauchgefühl zu vertrauen, hat das einen guten Grund. Der Bauch weiß viel und fühlt viel und trifft damit gute Entscheidungen“, ist Hoffacker überzeugt.

Überzeugen ist inzwischen mehr als ein Steckenpferd für die Wissenschaftlerin. Maria Hoffacker ist nun nicht mehr nur Expertin für das Gehirn – Lady Brain – sondern auch Redner-Weltrekordlerin. 160 renommierte Redner aus 15 Ländern traten jüngst in Stuttgart gegeneinander bei der ersten Silent Speaker Battle an. Jeweils vier Redner sprachen gleichzeitig auf der Bühne. Die Zuhörer trugen Kopfhörer, konnten entscheiden, welchem Redner sie zuhören wollten, und stimmten am Ende über den besten „Speaker“ ab. Hoffacker begeisterte mit ihrer Rede über die menschlichen Gehirne und qualifiziere sich für den direkt darauffolgenden Internationalen Speaker-Slam, zu dem 66 internationale Redner genau fünf Minuten Zeit hatten, um Jury und Publikum für ihr Thema zu gewinnen. Hoffacker überzeugte mit ihrer Rede über die Möglichkeiten schnelle und vor allem richtige Entscheidungen zu treffen und wurde mit dem Excellence Award ausgezeichnet.

Im August wartet auf Maria Hoffacker die nächste Mission, die Welt von dem zu begeistern, was im Körper der Menschen so vor sich geht: Dann wird sie in New York bei einem weiteren Internationalen Speaker-Slam antreten.